[Review] Die Ärzte – Hell

Die Ärzte haben also ein neues Album. Habe ich darauf gewartet? Überhaupt nicht. Die Veröffentlichungen der Band und auch die Ableger konnten mich in den letzten Jahren überhaupt nicht erreichen und auch nicht überzeugen.

Wie wird es nun heute sein? Die Band ist alt, sind die Witze, der Humor und auch die Musik ebenso angelegt? Nun will ich gar nicht in der Vergangenheit verweilen, jeder entwickelt sich permanent weiter und mein Anspruch an Künstler*innen gilt hier nicht, so wie auch bei mir niemand mitzureden hat, wie ich was zu machen habe. Außer vielleicht als Lohnarbeiter, was in der Kunst wie im Sport eher nicht so schön ist.

Die Ärzte haben also ein neues Album und ich habe überhaupt nichts erwartet, jedenfalls nichts positives. Die Erfahrung der Vergangenheit, der letzten 20 Jahre versprach eher schlagerpoppige Schunkler. Ist diese Platte hier anders? Ja, und nein. Sie ist freier, anders auf jeden Fall. Die Band folgt überhaupt keinen Erwartungen mehr und das gibt ihr die Freiheit zu tun und lassen was sie will. Das haben sie bisher auch immer gemacht, doch nun lief das hier alles ohne wirklichen Ankündigungen aus. Damit ohne Erwartungsdruck.

Das Album ist politisch geworden, nicht plakativ, sondern tiefgründiger. Es ist zugleich recht erwachsen geworden, auch wenn hier und da noch der eine oder andere Gag versucht wird jugendlich unterzubringen. Aber vermutlich weiß die Band ebenfalls das ihre Hörer*innen bei 40+ angekommen sind. So sind sie eben auf einen Zielgruppengerechten Humor aus, zwar immer noch frisch, aber eben auch ein wenig in die Jahre gekommen. Mal eben einen Song über Gitarristen und warum sie eigentlich nicht genug Aufmerksamkeit bekommen? Wird gemacht.

Dabei ist die Band auch Selbstkritisch, Punkritisch, Politisch und vor allem sehr aktuell in ihren Texten, vor allem bei der Kitik an Reichsbürger*innen und Verschwörungsideologinnen und Idioeogien. Auch ihre Kritik an Gutbürger*innen Punk trifft sicher an vielen Stellen bei vielen Leuten. Die Haare struwwelig ist eben noch lange keine Punk, wobei, Alles ist Punk. Ist Punk damit nicht einfach belanglos geworden?

Zwischen ein paar Lichtblicken plätschert das Album so vor sich hin bei mir. Es hat gute Ideen, auch textlich, welche als Inspiration gute Dienste leisten. Es sind immer noch Die Ärzte, sind wissen immer noch wie es geht und auch wie gute Texte geschrieben werden. Doch liefern sie auch immer noch einfach nette PopPunk-Rockige Lieder hier ab. Es ist nicht wirklich überraschend, auch wenn die Lieder Spaß machen und vielleicht Live auch gut abgehen könnten. Und so bedienen sie auch den einen oder anderen Aha-Moment, mit dem Die Ärzte und ihre Hörer*innen Verbindungen und Gemeinsamkeiten aufbauen können. Ja, so war das eine oder andere vielleicht auch bei mir in meinem Leben, als wir noch jung und wild waren.

Doch ist das nun alles so verwerflich? Soll die Band immer noch so tun als wären sie die harten Punks, wilden Punks, harte Hooligans, oder sowas? Sie sind eben Punks zwischen 50 und 60 und das sind sie eben. Sie mögen Musik, habe Spaß, machen gerne gute Musik, zur Zeit. Haben Bock auf ein Album und das machen sie, weil sie es können, nicht weil sie es nötig hätten. Eine Tournee wäre auch ohne Album seit acht Jahren ausverkauft gewesen.

Mein Fazit: Macht die Platte Spaß, mir zumindestens? Ich finde die Witze altbacken, zum Beispiel von der Single True Romance. Da erzählen mir die Kinder ja originelleres als irgendwelche Fragen an Siri und dem Sex mit Alexa. Doch es sind die Witze die Die Ärzte immer wieder mal gebracht haben und das bedient ihren und wahrscheinlich auch den Humor ihrer Fans und das ist vollkommen in Ordnung. Und dazu gibt es solide, überzeugende Musik. Kein Punk, meistens, aber sehr gute Musik, denn die Band weiß einfach wie es geht und auch wie gute Lieder zu schreiben sind die Bock und Laune machen.

Das Album finde ich besser als sein Vorgänger, doch wie weit es bei mir in Erinnerung und Rotation bleiben wird, bleibt fraglich. Habe ich nun Lust die Platte noch öfters zu hören? Vielleicht noch ein, vielleicht zwei mal, vielleicht hier und da mal den einen oder anderen Song. Mir gefällt das, was ich bisher von der Band Live gesehen habe, sowie die Alben bis irgendwann Ende der Neunziger und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Jeder Mensch kann und sollte sich Entwickeln und wenn es in verschiedene Richtungen geht. Ich muss nichts folgen und ich muss nicht alles was andere machen mögen. Ich freue mich drüber das die Band weitermacht, weiter ihren Spaß hat und immer noch recht gute Lieder schreibt. Lieder die bei mir einschlagen und sich als meine persönlichen Hits offenbaren, kann ich hier nicht finden, doch ein paar gute Lieder und Stile für mich entdecken. Nur das der Humor mir dann dauerhaft nicht als Textbasis ausreichend ist.

Die Ärzte Fans werden die Band wahrscheinlich weiter abfeiern, was ich verstehen kann, alle andern können hier gute Lieder und Ideen finden, wobei die Textbasis meiner Meinung nach, eher eine Geschmacksfrage ist. Meinen Humor treffen sie damit nicht so sehr. Und by the Way; Liebe gegen Rechts. Und zum Ende des Albums kriegt die Band noch gut die Kurve und liefert so einiges an Punk ab.

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Tracklist
1. E.V.J.M.F.
2. PLAN B
3. ACHTUNG: BIELEFELD
4. WARUM SPRICHT NIEMAND ÜBER GITARRISTEN?
5. MORGENS PAUKEN
6. DAS LETZTE LIED DES SOMMERS
7. CLOWN AUS DEM HOSPIZ
8. ICH, AM STRAND
9. TRUE ROMANCE
10. EINMAL EIN BIER
11. WER VERLIERT, HAT SCHON VERLOREN
12. POLYESTER
13. FEXXO CIGOL
14. LIEBE GEGEN RECHTS
15. ALLE AUF BRILLE
16. THOR
17. LEBEN VOR DEM TOD
18. WOODBURGER

Erscheinungsdatum
23.10.2020

Label
Hot Action Records (die Ärzte) (Universal Music)

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Punk / Oi / HC